Erschienen am 18.08.2021 - in der Freien Presse von Thomas Treptow
Jenny Choinowski spielt schon seit ihrem sechsten Lebensjahr Handball beim BSV Sachsen Zwickau. Jetzt will sich die 31-Jährige auch das Abenteuer in der höchsten deutschen Liga nicht entgehen lassen.
Alles begann in der Saison 1994/95, als der als der BSV Sachsen Zwickau in der Handball-Bundesliga der Frauen spielte. Damals absolvierte die sechs Jahre alte Erstklässlerin Jenny Choinowski ein Schnuppertraining bei ebenjenem Verein. "Meine Mutter hat immer erzählt, dass ich auch gern zum Fußball gegangen wäre. Aber das mit den dreckigen Klamotten und dem Zuschauen bei Wind und Wetter passte ihr gar nicht. So bin ich halt beim Handball hängengeblieben", erzählt Jenny Choinowski und lacht.
Inzwischen sind mehr als 25 Jahre ins Land gegangen - und die 31-Jährige spielt immer noch Handball. Immer noch bei ihrem Heimatverein, der am 4. September mit der Partie gegen Union Halle-Neustadt erneut das Abenteuer Bundesliga in Angriff nimmt. "Als der Aufstieg feststand, habe ich mir gesagt: Die Chance, einmal Bundesliga zu spielen, noch dazu hier in Zwickau, möchte ich nicht verpassen. Das ist das, was mir in meiner Agenda noch fehlt", sagt Jenny Choinowski. Allerdings hätte sie schon eher in der Eliteliga spielen können. Denn für die Linksaußen und schnelle Konterspielerin gab es zwischenzeitlich durchaus Anfragen aus der Beletage. Sie ließ sie links liegen. "Für mich stand der Handball nie so an erster Stelle, dass ich dafür in Zwickau alles aufgegeben hätte. Freunde, Familie, die Arbeit - das war mir immer wichtiger. In Zwickau Zweite Liga zu spielen, hat mir gereicht", sagt Jenny Choinowski ehrlich und mit der ihr eigenen Gelassenheit.
Das passt zu ihr. Eine Frau oder Sportlerin, die gern ihr Inneres nach außen krempelt, war sie nie. Einige würden sie wohl als "coole Socke" bezeichnen. "Ich war nie diejenige, die 100 Prozent emotional war, die wild gefeiert oder vor Wut geschrien hat. Ich bin relativ entspannt", bestätigt die ehrgeizige Handballerin, auf die Cheftrainer Norman Rentsch große Stücke hält. So sagte er bei der Vertragsverlängerung des Urgesteins: "Zusammen mit Lena Hausherr bildet Joy das beste Außenduo der Liga." Das war im März, aber auch jetzt ist der Coach des Lobes voll: "Sie ist im Training total fokussiert und geradezu detailversessen. Es macht viel Spaß, mit ihr zu arbeiten."
Dabei ist die unmittelbare Vorbereitung auf die Bundesligasaison mit derzeit fünfmal Training in der Woche kein Zuckerschlecken. "Nach der Arbeit geht es zum Training und dann nach Hause. Dann esse ich noch etwas und falle ins Bett", beschreibt die Bürokauffrau ihren Tagesablauf. Das ist bei einem Vollzeitjob nicht immer einfach. Da bleibt im Moment nicht viel Zeit, auch nicht für einen kurzen Städtetrip nach Hamburg. Die Hansestadt mag sie sehr. Jenny Choinowski, die eigentlich alle nur "Joy" nennen, nimmt den Stress trotzdem auf sich. Weil Handball nicht alles für sie ist, sie ihn aber dennoch liebt: "Eine tolle Sportart. Auch im Nachhinein kann ich mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen", sagt sie und zählt weitere wichtige Aspekte auf: "Hinzu kommt dieser Zusammenhalt in der Mannschaft. Die vielen verschiedenen Charaktere kennenzulernen, war und ist eine Supersache. Das möchte ich nicht missen."
Das Gefüge stimmt auch im aktuellen Sachsen-Team. "Das passt super, auch wenn wir uns mal richtig die Meinung geigen", bekräftigt Jenny Choinowski, die sozusagen stellvertretend den Klassenerhalt - 1994/95 wurde das nicht geschafft - als oberstes Ziel ausgibt. Aber nicht nur das: "Wir wollen alles reinhauen, in jedem Spiel auf Sieg gehen und vielleicht auch Punkte holen, wo es keiner vermutet. Mannschaften, die uns unterschätzen, wird es garantiert geben", blickt sie auf ihre erste Bundesligasaison voraus. Keine Frage, es kribbelt, zumal (hoffentlich) wieder Zuschauer in Neuplanitz dabei sein dürfen. Aber wie groß ist der Respekt? "Den muss man nicht haben. Denn wir wissen schon, wer da vor uns steht, wenn Dortmund oder Bietigheim kommen. Das sind Wahnsinnsspielerinnen. Aber es hilft ja nichts, wir müssen Punkte holen", meint die Zwickauerin unaufgeregt, aber bestimmt.
Nach vierzehn Jahren in Liga zwei geht Jenny Choinowski eine Etage höher in ihre fünfzehnte Spielzeit mit dem BSV. In der ersten Mannschaft debütiert hatte sie - nach dem Durchlauf aller Nachwuchsklassen - in der Saison 2007/08 als 16-Jährige. Der Ungar Csaba Arva saß damals auf der Bank der Westsächsinnen. Neun verschiedene Trainer kamen danach. Einige, wie etwa Jiri Tancos, Andy Palm oder Rüdiger Bones, blieben nicht einmal ein Jahr im Amt. "Für die persönliche, mannschaftliche und die Entwicklung des Vereins ist ein längerfristiges Engagement definitiv besser. Aber einen Trainer, mit dem ich gar nicht klargekommen bin, gab es eigentlich nicht. Und von allen konntest du etwas Neues lernen", blickt die junge Frau zurück auf vergangene Zeiten. Diese waren nicht immer einfach. Verletzungen nervten und zwangen zu Geduld. Die Zitterjahre 2017 und 2019, in denen der Verein gegen den Abstieg kämpfte, sind noch nicht so lange her. Jenny Choinowski hat - wie das auch in einer guten Ehe sein sollte - die schlechten ebenso miterlebt wie die guten Zeiten - und ist "halt beim Handball hängengeblieben".