Simona Madzovska - mit dem Sieg gegen Leverkusen zur Nationalmannschaft - viel Erfolg

Freie Presse am 28.10.2022 von Thomas Treptow

Simona Madzovska vom BSV Sachsen Zwickau, für den sie zuletzt noch unter ihrem Mädchennamen Stojkovska auflief, spielt bei der Handball-EM der Frauen für Nordmazedonien. Sie ist stolz darauf, ihr Land zu vertreten. Dabei hatte sie diesen Traum bereits ad acta gelegt.

Zwickau. In genau einer Woche, am 5. November, trifft Co-Gastgeber Nordmazedonien am ersten Spieltag der Handball-EM der Frauen auf Frankreich. Die Partie in der Boris- Trajkovski-Arena von Skopje ist ein Match David gegen Goliath. Die Equipe tricolore ist Olympiasieger 2020 und Vizeweltmeister 2021. Die Damen von Balkan haben sich das letzte Mal 2012 für die EM und damit für eine internationale Meisterschaft qualifiziert. Für Simona Madzovska, ehemals Stojkovska, ist es aber noch viel mehr.

Die Rückraumspielerin vom Bundesligisten BSV Sachsen Zwickau vertritt ihr Land das erste - und vielleicht auch das einzige - Mal bei einem solchen Großereignis. "Wenn sie die Hymne spielen und die ganze Familie und viele Freunde auf der Tribüne sitzen, fließen bestimmt die Tränen", sagt die 29-Jährige. "Denn jeder möchte für sein Land spielen. Egal, wie groß es ist oder wie gut oder schlecht die Mannschaft. Es ist wirklich etwas Besonderes."

Es ist eine Mischung aus Heimatliebe, Stolz, Aufregung und Vorfreude auf die große sportliche Herausforderung. Bei Simona Madzovska kommt wohl noch ein Schuss Genugtuung hinzu, es doch geschafft zu haben. Denn der Weg bis zum offiziellen Spielerporträt der Nationalmannschaft (kleines Foto), auf dem sie in die Kamera strahlt, war lang. Ja, eigentlich hatte sie den Traum bereits ad acta gelegt. Das kam so: Simona, die in ihrer Heimstadt Bitola durch eine Lehrerin zum Handball kam, wechselte ein Jahr vor dem Abitur ins zwei Autostunden entfernte Skopje, zum Spitzenklub WHC Metalurg. "Als ich so 20, 21 Jahre war, gab es in unserem Nationalteam einen Generationswechsel. Fast alle meine Mitspielerinnen erhielten eine Einladung, ich nicht", erzählt sie.

Die 1,81 Meter große Rechtshänderin nahm es als Ansporn, trainierte hart und hoffte. Umsonst. Mit 23 Jahren wechselte sie nach Griechenland, schoss bei AC PAOK. Thessaloniki ihre Tore. "Die Qualität in der Liga war aber nicht sehr hoch", erinnert sie sich. Auch deshalb wagte die junge Frau nach einem Jahr den Schritt nach Deutschland, unterschrieb einen Vertrag in Neckarsulm. "Okay, dachte ich, jetzt spielst du Bundesliga. Vielleicht kommt jetzt eine Einladung aus Mazedonien", rekapituliert Simona Madzovska. Sie kam nicht. Die Enttäuschung saß tief. Das zeigte sie aber nicht. "Nach außen hin habe ich laut gesagt, dass es mir egal ist. Im Inneren habe ich immer gehofft."

Nach einem Jahr verpflichtete sie der BSV Sachsen, der die erste Liga ins Visier genommen hatte. Und die variabel einsetzbare Handballerin mit den langen schwarzen Haaren spielte 2019/20 eine starke Zweitligasaison, bekam gute Kritiken. Die Medien in der Heimat berichteten über sie. "In dieser Zeit habe ich am meisten an eine Berufung in die Auswahl geglaubt", erinnert sich die Wahl-Zwickauerin. Vergebens. Spätestens, als dann noch die Coronawelle rollte, hatte Simona Madzovska ihren Traum endgültig aufgegeben. "Das Thema Nationalmannschaft hat mich nicht mehr berührt. Es war mir jetzt echt egal."

Im Oktober 2020 klingelte jedoch das Telefon. Am Apparat war der Chef des Verbandes, früher auch Präsident bei Metalurg Skopje. Er wollte sie spielen sehen. "Ich war total aufgeregt, habe sofort meinen Mann Borjan angerufen und zu ihm gesagt: ,Das kann nicht sein.'" Doch das Unerwartete nahm tatsächlich seinen Lauf. Im März 2021 spielte sie bei der Vorqualifikation für die WM das erste Mal für ihr Heimatland. Island, Litauen und Griechenland hießen die Gegner. Nicht die ganz großen Namen im Frauenhandball: "Das war gut für mich, so konnte ich mich hineinfinden. Aber ich hatte keinen Druck und nichts zu verlieren. Andererseits war ich sehr motiviert."

15 Länderspiele hat Simona Madzovska seitdem bestritten. "Darunter kein schlechtes", sagt sie selbst. Dass sie bereits zum Stamm gehört, mit ihrer Erfahrung ein wichtiger Bestandteil der insgesamt jungen Mannschaft von Trainer Ljubomir Savevski ist, stützt diese Worte. Die Kaliber, die in der Gruppenphase auf Nordmazedonien warten, sind mit Frankreich, den Niederlanden, dem Weltmeister von 2019, und Rumänien allerdings nicht von schlechten Eltern. Die Spätberufene weiß das. "Alle sind gegen uns favorisiert, aber vielleicht unterschätzen sie uns." Platz drei würde den Gastgeberinnen des Championats, die als solche wie auch Slowenien und Montenegro keine Qualifikation bestreiten mussten, zum Erreichen der Hauptrunde genügen. "Wir haben keinen Druck, gewinnen zu müssen. Der Ball ist rund und Wunder passieren."

Es wäre ein großes Wunder, doch so etwas ist Simona Madzovska quasi schon passiert. Sie freut sich auf das Heimpublikum, auf die Atmosphäre, auf ihre Teamkameradinnen. "Die Chemie in der Mannschaft stimmt und vor meiner Familie habe ich auch noch nicht gespielt." Vater, Mutter, Schwester, Onkel, Cousine, die Schwiegereltern und viele Freunde werden auf der Tribüne sitzen. Natürlich wird auch Ehemann Borjan live vor Ort sein. Der Handballer vom ZHC Grubenlampe Zwickau hat Urlaub genommen - und darf sich auf eine Premiere freuen. Denn auf dem Trikot seiner Frau wird bei der EM eben Simona Madzovska stehen. "Wir sind seit drei Jahren verheiratet, aber erst in diesem Jahr habe ich den Namen von Borjan angenommen. Das ist also auch besonders für ihn", verrät sie.

Die BSV-Fans müssen sich also an einen neuen Nachnamen gewöhnen. Bis 2023 hat Simona Madzov-ska Vertrag. Norman Rentsch ist froh darüber. Der Chefcoach schätzt ihre Zuverlässigkeit und Übersicht auf dem Parkett, aber auch ihre Persönlichkeit. Das beruht auf Gegenseitigkeit. "Ich bin dem ganzen Trainerteam dankbar. Ohne sie und die Mannschaft würde ich in der Auswahl nicht erfolgreich sein. Ich spiele dort gut, weil ich beim BSV gut trainiere", wertet die studierte Englischlehrerin.

Wie ihre ungarische Teamkameradin Rebeka Ertl ist sie bei der privaten Sprachschule Doceo angestellt. "Ich helfe als Lehrerin ab und an aus, bin ansonsten in der Verwaltung, Rebeka arbeitet als Deutschlehrerin. Wir bekommen dort viel Unterstützung" erzählt sie. Ohnehin sieht Simona Madzovska nicht nur ihre sportliche Zukunft in der Muldestadt. "Unser Plan ist es, in Zwickau zu bleiben, egal, was mit Handball passiert. Wir haben hier Freunde gefunden. Die Leute sind alle sehr nett und wir wollen nicht noch einmal irgendwo in Deutschland neu anfangen." Und was ist mit der Nationalmannschaft? "Ich werde es vermissen - wenn ich einmal nicht mehr spiele."

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