Erschienen am 18.02.2021 in der Freien Presse / von Frank Dörfelt
Weil die Kosten für das Neuplanitzer Ballsport-Zentrum auf 23,7 Millionen Euro gestiegen sind, soll der Bau verschoben werden. Mit gravierenden Folgen für die Bundesliga-Mannschaft.
In dieser Saison sollten die Handballerinnen des BSV Sachsen Zwickau in einer bundesligatauglichen Sporthalle spielen. So sah es der Beschluss des Stadtrats zum Neubau einer Sporthalle und der Sanierung des Altbaus der Sporthalle Neuplanitz vom Februar 2017 vor. Bis heute wurde mit den Arbeiten nicht einmal begonnen.
Ändern wird sich das auch in diesem Jahr nicht. Die um 10 Millionen Euro auf 23,7 Millionen Euro gestiegenen Baukosten sind den Stadträten angesichts leerer Kassen zu viel an Investition. "Wir wollen zunächst wissen, wie diese enorme Kostenexplosion entstanden ist", sagt der CDU-Fraktionschef Thomas Beierlein. Seine Fraktion wird einen Antrag einbringen, das Vorhaben, um ein Jahr zu verschieben. Grundsätzlich infrage stellt keine der Ratsfraktionen das Bauvorhaben. Die Mehrheit will jedoch den CDU-Vorschlag mittragen. Zumal nicht feststeht, ob und wie viele Fördermittel die Stadt bekommt. "Nur mit Eigenmitteln können wir die Sporthalle nicht bauen", sagt Stadtrat Tristan Drechsel (BfZ).
Beim Zweitligisten BSV Sachsen Zwickau, der die Halle für Punktspiele und zum Training nutzt, läuten die Alarmglocken. Präsidentin Sylvia Wössner drängt auf eine schnelle Lösung. "Wir bekommen regelmäßig vom Verband Auflagen, die wir erfüllen müssen", sagt sie. Die Liste ist lang und die Zeit läuft davon. "Bis 2025 müssen alle Auflagen erfüllt sein", sagt Wössner. Andernfalls müsste die Mannschaft im schlimmsten Fall ihre Heimspiele in einer anderen Stadt austragen. Die Umsetzung der meisten Auflagen in der alten Halle ist nahezu unmöglich. "Es ist daher an der Zeit, schnell zu handeln", sagt Wössner.
"Der Spielbetrieb in der Ersten und Zweiten Bundesliga erfordert konkrete Bedingungen an den Spielort", sagt auch Trainer Norman Rentsch. Unter anderem müssen in der Halle mindestens 1500 Zuschauer Platz finden, 75 Prozent davon auf Sitzplätzen und auf zwei Längstribünen. Kritik üben Trainer und Präsidentin auch an den sanitären Anlagen. "Die Umkleiden sind zu klein", sagt Wössner. Für eine Mannschaft würden zwei Umkleiden benötigt. Zudem seien unter anderem die Duschen von Schimmel befallen. Nach den Auflagen des Verbandes müssten noch in diesem Jahr für jede Mannschaft ein Umkleideraum für mindestens 20 Spielerinnen zuzüglich Duschen und Toilette zur Verfügung stehen. Ein Umbau innerhalb der in den 1970er Jahren errichteten Halle ist nicht möglich.
Derzeit liegt die Mannschaft von Norman Rentsch auf Platz zwei der Tabelle. "Wir gehen davon aus, dass wir uns dort halten können", sagt er. Die Mannschaft hofft auf einen Aufstieg in die Erste Bundesliga. "In dieser Halle jedoch sehen wir keine Zukunft", sagt Rentsch. Er befürchtet, dass schon bald nach Ausweichspielstätten wie Plauen oder Lößnitz gesucht werden muss. Zumal man sich als Verein für den Zustand der Halle schämen müsse, wenn aus ganz Deutschland Gastmannschaften anreisen. "Das dient weder dem Image der Stadt noch des Vereins", gibt Präsidentin Wössner zu Bedenken. Auch Sponsoren könne man mit der alten Halle nur sehr schwer gewinnen. "Das ist uns bisher meist über die sportliche Leistung gelungen", sagt Wössner. "Wir tun sehr viel für den Nachwuchs."
Jetzt sei es an der Stadt, dieses Engagement zu unterstützen und den Baubeschluss umzusetzen. Das allerdings kann dauern. "Ein Baubeginn ist frühestens im Herbst 2022 möglich", sagt Rathaussprecher Mathias Merz. Das jedoch nur in Abhängigkeit vom Haushaltsbeschluss. Die Bauzeit gibt er mit etwa drei Jahren an. "Das ist für uns sehr unbefriedigend", sagt Sylvia Wössner. "Wir müssen uns jetzt wahrscheinlich einen Plan B überlegen."
Der BSV Sachsen Zwickau ist nicht der einzige Verein, der die Sporthalle nutzt. Auch der ZFC Grubenlampe und der SV Chemie tragen dort ihre Heimspiele aus. Die Sporthalle wird zudem auch von drei Schulen genutzt. Auch diese warten seit dem Baubeschluss 2017 auf eine neue Halle.
Kommentar: Selbst in die Zwickmühle gebracht
Neu ist es nicht, dass bei städtischen Projekten die Kosten steigen. Neu ist höchstens, dass rechtzeitig nach den Gründen gefragt wird. Das ist immerhin ein Anfang zum Sparen, wenn denn weiter so vorgegangen wird. Dabei ist das Problem Ballsportzentrum hausgemacht. Seit es vor fünf Jahren aus politischen Gründen auf der Prioritätenliste nach unten gerutscht ist, verkommt der Bau einer bundesligatauglichen Handballspielstätte zur Schiebemasse im Haushalt, die Jahr um Jahr weitergereicht wurde. Was wohl auch daran lag, dass den Handballern die Lobby fehlt und sie nicht, wie andere Vereine, ihre Wünsche lautstark nach außen brachten.
Mit jeder Verschiebung wurden höhere Baukosten in Kauf genommen, das müssen Stadtrat und Bauverwaltung gewusst haben. Jetzt haben sich die Verantwortlichen selbst in die Zwickmühle manövriert. Entweder stattliche 24 Millionen Euro investieren oder einen abgespeckten Billigbau hinsetzen. Die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Auf jeden Fall wurde eine Chance vertan, Zwickau mit Hilfe der erfolgreichen Handballerinnen deutschlandweit in ein positives Licht zu rücken. Diese Art Werbung wäre dann auch noch gratis gewesen.