03.02.2021 15:11 Uhr - 2. Bundesliga - Sebastian Wutzler, dpa
Während Chefcoach Norman Rentsch 60 Minuten lang an der Seitenlinie hin- und herläuft und sein Team emotional coacht, verfolgt Dietmar Schmidt die Spiele sitzend und mit stoischer Ruhe. Die Konstellation auf der Trainerbank bei Handball-Zweitligist BSV Sachsen Zwickau ist seit dieser Saison besonders, aber sie zeugt vor allem von Erfolg. Nach der Hinrunde befindet sich die Mannschaft als Tabellenzweiter mit 21:5 Punkten auf Aufstiegskurs.
"Dietmar hat eine andere Art als ich. Jeder weiß, dass ich vielleicht etwas impulsiver bin. Er kann dagegen eine väterliche Rolle einnehmen. Auf jeden Fall ist er ein Gewinn für uns", sagt Rentsch im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Der 41-Jährige wird seit vergangenem Sommer vom 27 Jahre älteren Schmidt unterstützt. Der ehemalige Weltklasse-Kreisläufer, der die DDR-Auswahl 1980 in Moskau als Kapitän zum Olympiasieg führte, soll mit seiner Erfahrung helfen, dass die Zwickauerinnen den Sprung in die 1. Bundesliga schaffen.
"Ich arbeite gern mit Leuten zusammen, von denen ich auch noch lernen kann. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir klären es unter uns gut und konstruktiv, um die Mannschaft voranzubringen. Ich brauche keinen Ja-Sager neben mir, sondern ich möchte von Dietmars Erfahrung profitieren", erklärt Rentsch.
Schmidt arbeitete nach seinem Karriereende jahrelang als Trainer in Frankfurt (Oder). Mit den ASK-Frauen wurde er drei Mal DDR-Meister, zwischen 2006 und 2013 coachte er den Frankfurter HC in der 1. Bundesliga. "Ich hatte meinen Hauptwohnsitz in Zwickau und bin immer viel gependelt. Als mein Vertrag zum 30. Juni 2020 in Frankfurt auslief, hat sich der BSV sehr um mich bemüht", hatte Schmidt bei seinem Amtsantritt im Juli 2020 seinen Wechsel zum BSV Sachsen begründet.
Die Aufgaben in Zwickau sind klar verteilt. "Dietmar ist speziell für den athletischen Bereich zuständig, bei den Einheiten am Vormittag teilen wir uns in Rückraum- und Kreisläufer-Training auf. Letzteres ist natürlich sein Spezialgebiet", meint Rentsch.
Der ehemalige Rückraumspieler, der einst in Cottbus, Dessau und Aue spielte, hatte im Januar 2019 zum zweiten Mal das Traineramt beim BSV Sachsen übernommen. Ein halbes Jahr später wurde Rentsch auch Geschäftsführer des Vereins. Die Zahl an Sponsoren und Unterstützern ist seitdem weiter gewachsen, so dass sich der Verein wirtschaftlich in der Lage sieht, die 1. Bundesliga zu stemmen. "Das Interesse im Umfeld ist vorhanden. Wir könnten vielleicht nicht in Saus und Braus leben und wie Dortmund oder Bietigheim agieren, aber das würde auch nicht zu unseren Werten passen", sagt Rentsch.
Ein Problem gibt es dennoch. Die Zwickauerinnen tragen ihre Heimspiele in der 1982 eröffneten Sporthalle Neuplanitz aus. Trotz einiger Umbauarbeiten hat sich am Charme des DDR-Baus nur wenig geändert. "Dass wir in einer fast 40 Jahre alten Halle spielen, ist ein Riesenmanko und ein kleines Armutszeugnis für eine selbsternannte Sportstadt wie Zwickau. Das gibt kein gutes Bild in Richtung Fans, Sponsoren und gegnerische Mannschaften ab", meint Rentsch. Der Wunsch nach einer neuen Mehrzweckhalle ist groß: "Wir wissen nicht, wo die Reise hingeht. Bekommen wir eine neue Halle? Oder wird die alte Halle rekonstruiert? Wir hoffen, dass sich die kommunale Politik und auch das Land der Verantwortung stellen und uns unterstützen."
Am Samstag (17.00 Uhr) kommt es für den Coach zum Wiedersehen mit seinem Ex-Club. Der HC Leipzig, den Rentsch zwischen 2014 und 2017 trainierte, gastiert zum Sachsen-Derby in Zwickau. Das Hinspiel konnte der BSV knapp mit 27:26 gewinnen. "Es wird erneut eine unbequeme Aufgabe für uns. Der HCL spielt bislang eine gute Saison. Trainer Fabian Kunze kenne ich noch aus meiner Zeit in Leipzig. Ich schätze ihn als sehr engagierten und guten Coach", meint Rentsch. Doch gemeinsam mit Co-Trainer Schmidt will er sich wieder den perfekten Matchplan zurechtlegen, um den nächsten Schritt in Richtung Aufstieg zu machen.